Kurzreferat zu Gehirnläsionen

Online-Stammtisch am 4. November 2020

Beim ersten digitalen Stammtisch des Wintersemesters hielt Bbr. Johannes Hatzold am 04. November 2020 ein Impulsreferat mit dem Titel „Kauderwelsch und Schlangenlinien – wie uns Gehirnläsionen verändern können“. Bereits der Titel offenbart, wie groß die Bandbreite von möglichen Folgen einer Gehirnschädigung ist – maßgeblich durch Lage und Größe der krankhaft veränderten Region des Gehirns bestimmt. Sehr unterschiedlich sind auch die möglichen Ursachen einer Hirnstörung: Ausfälle der Bewegungsmöglichkeiten von Körperteilen oder bzw. und Beeinträchtigung von Berührungsempfindungen sind häufig auf einen Schlaganfall zurückzuführen, bei dem es zur Mangelversorgung an Sauerstoff in einem Hirnareal kommt. Aber auch beispielsweise angeborene Schädigungen oder mechanische Verletzungen können Gehirnläsionen verursachen. Nach einem kurzen Einblick in die verschiedenen Ursachen wurden im Referat exemplarische, teils sehr seltene Hirnstörungen vorgestellt:

Bei Menschen mit der sog. Wernicke-Aphasie steht z.B. die Einschränkung des Sprachverständnisses im Vordergrund. Obwohl dabei auch die eigene Sprache der Betroffenen oft so abweicht, dass sie für den Außenstehenden nur noch als „Kauderwelsch“ zu verstehen ist, sind sich die Wernicke-Aphasiker selbst ihres Defizits jedoch häufig nicht bewusst. Charakteristisch ist dieses als Anosognosie bezeichnete Phänomen auch für das Anton-Syndrom, bei dem die erkrankte Person trotz Blindheit fest vom eigenen Sehvermögen überzeugt ist und sich deshalb leicht in gefährliche Situationen begibt: Sie würde z.B. auf einer Straße natürlich kein herannahendes Fahrzeug erkennen und dadurch ggf. den falschen Rückschluss ziehen, es sei auch tatsächlich keines da und ein Queren der Straße gefahrlos möglich. Nicht das Sehen an sich, sondern die weitere Verarbeitung des Gesehenen ist geschädigt bei der sog. Gesichtsblindheit (Prosopagnosie). Durch eine Schädigung in der Hirnwindung, die für die Differenzierung von einzelnen Gesichtern zuständig ist, ist es den Betroffenen erschwert, anhand des Gesichtes Individuen auseinanderzuhalten. Es wird eine Kompensation durch andere Identifikationsmerkmale wie Stimme oder Gang nötig.

Letzteren zu koordinieren ist Aufgabe des Kleinhirns. Dieses nimmt eine bedeutende Rolle bei der Integration verschiedenster Informationen von und über unseren Körper, wie die Lage im Raum oder den Widerstand gegen eine geplante Bewegung, wahr und verrechnet sie so, dass eine kontrollierte Motorik möglich wird. Dementsprechend ist bei einer Kleinhirnläsion das Gehen in „Schlangenlinien“ ebenso ein mögliches Symptom wie die Wahrnehmung von Doppelbildern, wenn die Abstimmung der Augenbewegungen nicht mehr funktioniert. Den Wert eines intakten Kleinhirns dürfte jeder zu schätzen wissen, der in bierseliger Stimmung schon einmal dessen temporär beeinträchtigte Leistung am eigenen Leib erfahren hat. Inwieweit das Kleinhirn auch für die in solchem Zustand oft eingeschränkte Verhaltenskontrolle bedeutsam ist und somit die Persönlichkeit mitbestimmt, ist noch Gegenstand der Forschung.       Unstrittig ist hingegen die Relevanz des Großhirns für die Persönlichkeit. Wie sie sich im Zusammenhang mit Hirnläsionen verändern kann, zeigt eindrücklich das Beispiel des amerikanischen Eisenbahnarbeiters Phineas Gage. Durch einen Unfall im Zusammenhang mit Sprengstoff wurde bei ihm dasjenige Hirnareal geschädigt, dessen Zuständigkeit im Bereich der situationsangepassten Handlungsplanung liegt. Phineas Gage, der als ausgeglichen gegolten hatte und allseits beliebt gewesen war, wurde durch den Vorfall jähzornig und unberechenbar.

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