Als Gothe in Würzburg wie Gott in Frankreich

Ein Stück Schwarzbrot und ein Krug Wasser stillen den Hunger eines jeden Menschen; aber unsere Kultur hat die Gastronomie erschaffen“, schrieb Honoré de Balzac und bewies am vergangenen Freitag der Würzburger Sternekoch Bernhard Reiser: Alle Zutaten, alle Gerichte des Abends sollten französisch sein, so hatten es die beiden großzügigen Gastgeber, der Nierenspezialist Bbr. Dr. Jürgen Bohlender und der Berater Bbr. Dr. Joachim Först bestimmt. Der Maître de Cuisine wusste die Vorgabe umzusetzen und begeisterte die Gäste: Auf bretonische Seezungenroulade und Jakobsmuschel mit Artischockensalat sowie Tomaten-Vinaigrette mit Basilikumschaum folgte ein opulentes französisches Grillbuffet und Dessert, immer begleitet von erlesenen Weinen. Die einmalige Bewirtung vermittelte – mit General de Gaulle gesprochen – „une certaine idée de la France“, als eines Landes der Haute Cuisine und Bonvivants.

Als Anlass, diesen spektakulären Abend auszurichten, diente den Bundesbrüdern die Herkunft zweier Gründer der Gothia. Gleich zwei Elsässer waren 1895 daran beteiligt, die Verbindung ins Leben zu rufen: Die beiden Geistlichen Bbr. Franz Xaver Haegy (1870–1932) und Bbr. Josef Gass O. LH (1867–1951). Während Gass zum Professor für Kirchengeschichte und Domkapitular in Straßburg avancierte, wirkte Haegy als Journalist und Reichstagsabgeordneter der Zentrumspartei für seinen Glauben (was nach 1918 zu Spannungen mit den laizistischen französischen Behörden führte). Bbr. Jürgen Bohlender wusste noch auf eine weitere Verbindung hinzuweisen: So besuchte Valéry Giscard d’Estaing als Staatsmann a.D. regelmäßig den Gottesdienst (und Frühschoppen) der deutschen Gemeinde und des CV-Zirkels in Paris.

Es war Giscard d’Estaing, der 1975 Paul Bocuse, einen der größten Köche des letzten Jahrhunderts, zum Ritter der Ehrenlegion erhoben hatte und dafür mit einer, inzwischen legendären, nach ihm benannten Trüffelsuppe bedacht wurde. Bocuse sagte einmal in einem Anflug unangebrachter Bescheidenheit: „In einem Restaurant macht die Küche nur 20 Prozent des Erfolges aus. Am wichtigsten ist das Ambiente, die Haltung des Chefs. Das große Restaurant ist ein Theater.“ Zu dem Ambiente am letzten Freitag trug zum einen das Trio Retrophonix bei, das mit seinem vielfältigen Programm und besonders mit seinen Chansons die Gothen erfreute. Auch personell war das Trio mit dem französischen Gitarristen Laurent F. und ihrem Bassisten C. Goitia die ideale Besetzung für den Abend.

Vor allem war es aber selbstverständlich die große Festgesellschaft von Bundesbrüdern und Gästen, von Aktivitas und Alten Herren, die den Sommerabend so gesellig werden ließ. „Wo auch immer die katholische Sonne scheint, gibt es stets Gelächter und guten Wein“, erkannte schon der in Frankreich geborene Schriftsteller Hilaire Beloc. Wie wir von Prokop und Felix Dahn wissen, zogen einige der überlebenden Gothen nach der Niederlage am Vesuv ins fränkische Exil. Dennoch staunten die Gastgeber nicht schlecht, als gleich hundert ihrer Nachfolger letzte Woche am festlich geschmückten Gothenhaus erschienen – mehr als doppelt so viele, wie erwartet! – aber sie ließen sich genauso wie Bernhard Reiser und sein Team dadurch keinen Moment in die Bredouille bringen. Es war ein Fest, an das wir sicher noch sehr lange gerne zurückdenken werden.

Lieber Joachim und lieber Jürgen, vielen Dank für diesen großartigen französischen Abend und ein herzliches Vergelt‘s Gott! – Que Dieu vous récompense!

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