Dich loben, dir danken, deine Kinder in Franken!

Kilianiprozessionsende im Kiliansdom • Foto: Markus Hauck (POW)
Kilianiprozessionsende im Kiliansdom • Foto: Markus Hauck (POW)

Jedes Jahr im Juli zieht das Kiliani-Volksfest hunderttausende Besucher an. Dazu gehören Bierzeltatmosphäre, zahlreiche Fahrgeschäfte und Trachtenumzug. Fragt man nach dem Ursprung des Festes, erwartet man kaum noch, dass dieses Treiben mit einem religiösen Fest in Verbindung gebracht wird. Ist den jüngeren Besuchern der Ursprung des Namensgebers dieses Festes überhaupt noch bekannt?  Denn zur gleichen Zeit feiern die Katholiken Würzburgs mit Kiliani das Patrozinium des Heiligen Kilian mit festlichen Gottesdiensten und Prozessionen und erinnern an ihren Schutzpatron und Bistumsgründer. Handelt es sich bei Kiliani um ein weltliches Fest im religiösen Fest oder ist eine voranschreitende Trennung von weltlichem und kirchlichem Fest zu beobachten? Letztlich stellt sich die Frage, welche Rolle Kilian, der Ursprung und Namensgeber des Festes, heute in Würzburg einnimmt und wie diese sich im Laufe der Jahrhunderte verändert hat.

Über das Leben Kilians sind kaum belegbare Fakten bekannt, und so fällt es auch heute Historikern schwer, den Lebenslauf des bekannten Heiligen zu rekonstruieren.

Kilian entstammte wohl einer vornehmen irischen oder schottischen Familie und wurde um 640 geboren. Der Geburtsort des Hl. Kilian wird heute in Cloughballybeg bei Mullagh in County Cavan/Irland vermutet.

Ausgangspunkt für die Legendenbildung und das Verständnis der Kiliansverehrung sind zwei Erzählungen über die Leidensgeschichte der Frankenapostel, die sogenannten Passionen. Die weniger ausführliche, handschriftlich verfasste Passio minor entstand zwischen 752 und etwa 840. Sie wurde erstmals von Heinrich Canisius im Jahr 1603 veröffentlicht und gilt als älteste Quelle.[1]

Die Passio minor erwähnt die Herkunft, die Bildung und das Bischofsamt von Kilian, nennt die Gefährten Kolonat und Totnan, die sich von ihm überzeugen ließen, mit der Erlaubnis des Papstes das östliche Franken zu missionieren.

Kilian gehörte zur so genannten „irischen Mission“, die das Gebot der Nachfolge Christi in seiner radikalsten Form durch Heimatlosigkeit verwirklichen wollte. Prägende Motive waren die Christusfrömmigkeit und die „peregrinatio pro Christo“ nach dem Vorbild Abrahams. Von Kilmackillogue aus soll Kilian nach Europa aufgebrochen sein. Mit elf oder zwölf Gefährten sei er in das heutige Deutschland gekommen, in Aschaffenburg an Land gegangen und nach Würzburg weitergezogen. Geschätzt wurden die Iren wegen ihrer praktischen Kenntnisse in Ackerbau, Holz- und Viehwirtschaft.

In Würzburg bekehrten sie Herzog Gozbert zum Christentum. Gotzbert ist als einer der ersten Christen in Franken bekannt und ließ sich vermutlich von Kilian taufen. Trotzdem bot seine Lebensführung weiterhin Anlass zur Kritik, denn Gozbert führte eine Beziehung mit Gailana, der Frau seines verstorbenen Bruders. In der germanisch-heidnischen Tradition durchaus legitim und üblich, war solch eine Verbindung im Christentum nicht vorgesehen. Nach christlichem Gesetz galt das als Blutschande.  Auf Forderung von Kilian trennte sich Gozbert deshalb im Jahr 689 von Gailana. Diese ließ aus Angst um ihre Stellung die drei irischen Missionare, die schon ihren Märtyrertod erwarteten, enthaupten. Die Passio minor endet mit dem Bericht des Untergangs des Volkes Gozberts und den ersten Wunderheilungen am Grab der drei Missionare, die daraufhin von Burkard, dem ersten Bischof Würzburgs, feierlich ausgegraben wurden.[2]

Die Passio maior gilt als Ergänzung und Erweiterung der Passio minor. Entstanden nach 860 enthält sie Ausschmückungen, wie zum Beispiel über das Vorleben von Kilian und beschreibt ein durch den Märtyrer Kilian bewirktes Wunder besonders genau. Wegen der Erweiterung bildet die Passio maior die Grundlage für die künstlerische und literarische Gestaltung der Kilianslegende. Der Anlass für die Überarbeitung der Passio minor durch die Passio maior ist der Wunsch der ersten Kiliansverehrer nach einer schöneren und erbaulicheren Darstellung vom Wirken ihres Heiligen.[3]

Aus den beiden unterschiedlichen Passionen lässt sich schließen, dass schon im 8. Jahrhundert wenig Sicheres über Kilians Leben überliefert war, sodass man die wenigen Fakten ausschmücken musste. Es handelt sich also um literarische Erzeugnisse, die Mutmaßungen über Kilian anstellten.

Die Zeugnisse von Kilians Wirken sind spärlich. Er hat in Würzburg z.B. kein Kloster gegründet.

Den entscheidenden Aufschwung nahm die Kiliansverehrung mit dem heiligen Burkard, dem ersten Bischof des Bistums Würzburg.

Eine der wichtigsten Quellen ist die jüngere Vita des heiligen Burkard, die im 12. Jahrhundert von Mönch Ekkehard verfasst wurde. Darin berichtet Ekkehard, dass Burkard mit anderen Bischöfen und dem heiligen Bonifatius auf dem Concilium Germanicum von 742 oder 743 die Frage nach der Ausgrabung der Gebeine Kilians und seiner Begleiter erörterte. Dabei ging es ihm vor allem darum, welcher Heilige Schutzpatron Würzburgs werden sollte: Kilian oder ein auswärtiger Heiliger, dessen Reliquie noch zu beschaffen wäre. Man entschied sich für den lokalen Märtyrer Kilian, da man mit ihm auch die Errichtung eines Bistums in Würzburg rechtfertigen konnte. Nun musste auch das Ziel der Translation, also Ort der Verehrung der Heiligen, gefunden werden. Sollte es die Kirche auf der Festung Marienberg sein als Ort der Christianisierung des Frankenherzogs oder der Ort des Martyriums und ersten Begräbnisses? Burkard entschied sich zuerst für den Marienberg, musste die Gebeine allerdings einige Jahre später, wahrscheinlich 746, auf das rechte Mainufer, wo sie gefunden worden waren, zurückbringen lassen.  Am 8. Juli 787 feierte Karl der Große wahrscheinlich mit der Fertigstellung des Doms, damals noch Salvatordom genannt, das Fest der Translation Kilians und besuchte dort sein Grab.[4]

Von diesem Zeitpunkt an wurde der 8. Juli der fränkisch-würzburgische Volksfeiertag schlechthin. Schon im 8. Jahrhundert entstand der Brauch, dass Pfarreien jährlich am Kilianstag in Prozessionen das Grab Kilians besuchten. Bald wurde der Salvatordom Kiliansdom genannt, da das Patrozinium Kilians durch verschiedene Wunder, die sich in der Gegenwart der Gebeine zutrugen, an Bedeutung gewann.[5]

Im 12. Jahrhundert veranlasste Bischof Embricho, dass das Kiliansfest auf acht Tage ausgedehnt und die religiöse Feier genau geregelt wird.

Eine große Bedeutung hatte neben den kirchlichen Feierlichkeiten auch das weltliche Vergnügen: Es entwickelte sich die Kilianimesse als besonderer Brauch. Sie entstand, nachdem Kaiser Konrad II. dem Würzburger Bischof Meginhard 1030 erlaubte eine jährliche Messe vom 9. bis 27. August abzuhalten. Außerdem versprach der Kaiser ihren Besuchern Frieden, Geleit und Recht, sowie Bewegungsfreiheit für bestimmte Sträflinge. Seit 1328 wurde der Jahrmarkt auf der Domstraße, dem Markt und teilweise dem Kürschnerhof veranstaltet. Dadurch wurde das ursprünglich religiöse Fest auch zu einem wirtschaftlichen Höhepunkt im Jahreskreis der Würzburger. Die Kilianimesse hatte weit über das Mittelalter hinaus den gleichen Stellenwert wie die Messen in Frankfurt und Nürnberg.[6]

Würzburgs Fürstbischöfe der Gegenreformation nutzten Kilian als Symbolfigur für die Selbständigkeit des Würzburger Hochstifts, einem geistlichen Territorium, in dem die weltliche Macht von einem Bischof ausgeübt wurde, und förderten seine Verehrung. Vor allem Julius Echter spielte eine herausragende Rolle in der Verherrlichung Kilians: 1580 wurde z.B. die neu errichtete Spitalskirche dem Märtyrer geweiht, im Siegel der Universität musste neben dem Marienbild das des Frankenpatrons eingefügt werden, außerdem ließ Echter Kilian auf Münzen einprägen, und es wurde auf dem Nordwestturm der Festung ein Standbild des Heiligen errichtet.

Am Anfang des 17. Jahrhundert entstand auch das Wallfahrtslied „Wir rufen an den teuren Mann…“. Dieses Lied, für das Volk geschrieben und als Wallfahrtslied durch die Jahrhunderte überliefert, wurde zum Merkmal der Kiliansverehrung unter der katholischen Bevölkerung Frankens.[7]

In der Barockzeit entstand auch der Figurenschmuck auf der Alten Mainbrücke: 1730 wurde sie mit Standbildern geschmückt, die nach einem religiös-politischen Programm aufgestellt wurden. Auf der Südseite die Patrone des Bistums, auf der Nordseite die weltlichen Gründer und Namenspatrone des Bistums. Diese Aufstellung wurde im Laufe der Jahrhunderte noch verändert und Anfang des 20. Jahrhunderts mussten die Statuen durch Kopien ersetzt werden.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Kilianskult vor allem durch die Säkularisation des Hochstifts Würzburg 1803 fast zum Erliegen gekommen. Mit der Wiederentdeckung der Schädelreliquien 1849, die ein Jahr später erstmals am Kilianstag in einer feierlichen Prozession zum Neumünster mitgeführt wurden, erreichte die Verehrung des Frankenheiligen einen neuen Höhepunkt.[8]

Der Kulturkampf konnte die Kiliansverehrung nicht beeinträchtigen. 1889 feierte man am Kiliansjubiläum ein geistlich-weltliches Fest für alle Bevölkerungsschichten. 1895 weihte der Prinzregent Bayerns Luitpold den Kiliansbrunnen auf dem Bahnhofsplatz ein. Dadurch kam der Prinzregent, ein Vertreter des Bayerischen Staates, sowohl den Franken als auch der Kirche entgegen.[9]

Der sogenannte Kirchenkampf in der Zeit des Nationalsozialismus wurde vor allem in Würzburg heftig geführt, und dabei stand auch Kilian immer wieder im Mittelpunkt. Die Kilianslegende wurde an „Weltanschauungsabenden“ der NSDAP als unheilstiftend dargestellt, das Germanentum vor der Christianisierung durch die Frankenapostel sollte nun verherrlicht werden. Kilians Verhalten wurde verurteilt, die Herzogin Gailana verteidigt und als echte Germanin gepriesen. Der Mainfränkische Gauleiter Dr. Otto Hellmuth ging sogar so weit, seine 1937 geborene Tochter Gailana zu nennen[10].

Die Herzogin war für die Anhänger Hitlers das Idealbild einer germanischen Frau, „die allein in dem Glauben an das Volk, an ihre Sippe und ihr Blut den Glauben ihrer Väter verteidigt habe“[11].

Während des 2. Weltkriegs leistete die Katholische Jugend Würzburgs mit regelmäßigen Gottesdiensten in der Kiliansgruft passiven Widerstand.

Da sich die Nationalsozialisten jedoch in keiner Weise von ihrer radikalen Haltung der Katholischen Kirche gegenüber abbringen ließen und ihre Propaganda fortsetzten, lag der Verdacht nahe, dass sie versuchen würden, die Schädel der in Mainfranken so verehrten Frankenapostel zu politischen Zwecken zu missbrauchen oder sie gar zu zerstören. Die Reliquien wurden aus einem geheimen Versteck im Würzburger Dom hervorgeholt und heimlich in der Pfarrkirche Gerolzhofens versteckt. So blieben die Gebeine, von Krieg und Übergriffen verschont, bis 1949 in Gerolzhofen. Am 5. Juli desselben Jahres wurden sie dann in einer feierlichen, dreitägigen Prozession pünktlich zur Kiliansoktav nach Würzburg zurückgebracht, wo sie im Beisein tausender Menschen in der Kiliansgruft ablegt wurden. Der feierliche Zug durch die weitgehend zerstörte Stadt und die Heimkehr der Frankenapostel wurde von den Würzburgern als Zeichen ihrer Wiedergeburt empfunden und gab ihnen Mut, an eine Zukunft der zerstörten Stadt zu glauben.[12]

Nach Kriegsende konnte Kilian also gefeiert werden wie zuvor. Neu im Vergleich zu vorher war, dass man die Herkunft des Heiligen aus Irland nun stärker hervorhob: Schon in den frühen 50er Jahren entstanden zahlreiche Beziehungen zwischen Iren und Franken.[13]

In der Diözese Würzburgs ist es verschiedenen Gruppen ein Anliegen, die Erinnerung an den Frankenpatron wachzuhalten. An der Prozession und dem anschließenden festlichen Pontifikalamt am Kilianisonntag nehmen neben den Studentenverbindungen auch Vertreter des Domkapitels, Mitglieder des Diözesanrats, Familiaren des Deutschordens, Ritter vom Heiligen Grab, Verbände und Vereine teil.

In der Prozession von der Kirche St. Burkard über die Alte Mainbrücke werden die Häupter der drei Frankenapostel feierlich in den Dom getragen, wo sie dann auf den Stufen vor dem Altar ausgestellt werden. Während des Jahres ruhen die Häupter im Altar des Domes.

Am Ort des Martyriums steht heute die Neumünsterkirche. Dort in der Kiliansgruft werden im Reliquienschrein auf dem Altar die Gebeine der Heiligen verehrt.

Da der heilige Kilian für Würzburg und seine Bürger eine so große Bedeutung hat, ist es auch für uns als Würzburger Korporation ein wichtiges Anliegen, diesen Heiligen in Ehren zu Halten.

Neben der Teilnahme an den kirchlichen Feiern steht in jedem Sommersemester ein Kiliani-Stammtisch auf dem Programm, bei dem ein Besuch im Bierzelt nicht fehlen darf.

Wir als katholische Studenten sehen im heiligen Kilian auch heute noch ein Vorbild.

Der heilige Kilian hat mutig seinen Glauben gelebt und verteidigt, er hat den Würzburgern, auch in schwierigen Zeiten, Halt gegeben und ihnen geholfen sich ihrer christlichen Wurzeln immer bewusst zu bleiben. Der heilige Kilian steht im kollektiven Gedächtnis der Würzburger.

Es ist offensichtlich, dass Kilian über eine lange Zeit das Leben der Würzburger beeinflusst und geprägt hat. Der Glaube an sein Martyrium und das Bewusstsein, dass Kilian und seine beiden Begleiter das Christentum nach Franken gebracht haben, ist in Mainfranken nie ganz abgerissen: Ob im Mittelalter oder im Dritten Reich, er war, ist und bleibt eine Figur mit großer Symbolkraft.

Allmächtiger und barmherziger Gott,

durch die Missionsarbeit

des heiligen Kilian und seiner Gefährten

hast du im fränkischen Land

den christlichen Glauben grundgelegt.

Auf die Fürsprache dieser Glaubensboten

festige uns alle in der Treue

zu unserem Herrn Jesus Christus.

Tagesgebet am Hochfest des Hl. Kilian

[1]Wittstadt, K. (Hrsg.), Passio minor sancti kiliani, in: Sankt Kilian, Würzburg, 1984, S. 11.

[2]Ders., 14-17.

[3]Wittstadt, K. (Hrsg.), Die Passio maior sancti kiliani, in: Sankt Kilian, Würzburg, 1984, S. 28-32.

[4]Wagner, H., Bistumsgründung und Kilians-Translation, in: Kilian Mönch aus Irland aller Franken Patron, hrsg. v. Grimm, C., Erichsen, J., München, 1989, S. 269-275. 

[5]Wittstadt, K. (Hrsg.), Kiliansverehrung – Kiliansbrauchtum – Kiliansdarstellungen, in: Sankt Kilian, Würzburg, 1984, S. 55. 

[6] Ders., 58.

[7]Multhaupt, H., Kilian- Apostel der Franken zur Zeit der Gegenreformation, in: Kilian Mönch aus Irland aller Franken Patron, Mainfränkisches Museum Würzburg (Hrsg.), Würzburg, 1989, S. 266-267. 

[8]Wenisch, S., Die Rolle Kilians im 19. und 20. Jahrhundert, in: Kilian Mönch aus Irland aller Franken Patron, hrsg. v. Grimm, C., Erichsen, J., München, 1989, S. 396. 

[9] Wittstadt, K. (Hrsg.), Kiliansverehrung – Kiliansbrauchtum – Kiliansdarstellungen, in: Sankt Kilian, Würzburg, 1984, 55-57.

[10] Geburtsanzeige für Gailana Hellmuth in „Das Schwarze Korps“ vom 12. August 1937, Würzburg, Zeitungsdruck, in: Kilian in der Gegenwart, in: Kilian Mönch aus Irland aller Franken Patron, Mainfränkisches Museum Würzburg (Hrsg.), Würzburg, 1989, S. 346.  

[11] Fränkisches Volksblatt v. 23.3.1939.

[12]Erben, M., „Kilian in der Gegenwart“, in: Kilian Mönch aus Irland aller Franken Patron Mainfränkisches Museum Würzburg (Hrsg.), Würzburg, 1989, 347-348.  

[13]Wenisch, S., Die Rolle Kilians im 19. und 20. Jahrhundert, in: Kilian Mönch aus Irland aller Franken Patron, hrsg. v. Grimm, C., Erichsen, J., München, 1989, S. 402.

Kommentare sind geschlossen.