Rede beim Kommers des 123. Stiftungsfestes am 30.06.2018 von Frau Marion Seib MdB a.D., der 1. Vorsitzenden des Adam-Stegerwald-Kreises e.V.:
- Vorstellung des Adam-Stegerwald-Kreises e.V.
Unsere Aufgabe als Adam-Stegerwald-Kreis sehen wir darin, über das politische Erbe Stegerwalds aufzuklären und in die aktuelle Politik hineinzutragen. Hierzu nutzen wir als gemeinnütziger Verein vor allem die Instrumente der Bildung, Information und Diskussion.
Wir erinnern an Adam Stegerwald, den Realpolitiker mit Visionen.
Wir setzen uns ein für seine Ziele. Stärkung der sozialen Marktwirtschaft, die Förderung der christlichen Soziallehre und die gerechte Teilhabe am Wirtschaftsleben, sowie die Förderung der Bildungschancen und des lebenslangen Lernens.
Was war an Stegerwald so spektakulär? Seine Karriere war beeindruckend.
In der Zeit von 1919 bis 1932 war er
- Gewerkschaftsvorsitzender,
- Preußischer Minister für Volkswohlfahrt,
- Preußischer Ministerpräsident,
- Reichsverkehrsminister
- Reichsarbeitsminister.
Seine Persönlichkeit war fordernd und geprägt von der Kindheit in der Kaiserzeit.
Durch seine Zielstrebigkeit war er ein absoluter Glückfall für Deutschland. Sein politisches Gespür für die jeweilige politische Situation, für Notwendigkeiten und Auswirkungen von Entscheidungen war legendär. Ungewöhnlich war sein politisches Talent.
Er war kein Populist! Er war Realpolitiker, der sich den Veränderungen nicht nur stellte. Er wollte die Veränderungen mitgestalten. Er wusste was er wollte und hatte ein klares Ziel vor Augen. Sein Ziel war eine Mittelpartei für ganz Deutschland, überkonfessionell und als echte Volkspartei für alle Stände offen.
Seine Erfahrungen in fünf ganz und gar unterschiedlichen Systemen haben seine Persönlichkeit geprägt!
Er trug parteipolitische und staatspolitische Verantwortung während der
- Kaiserzeit,
- Revolution,
- Und der Weimarer Republik
- Zeit des erzwungenen Rückzugs im Nationalsozialismus
- Nachkriegszeit.
Ich nehme Sie nun mit in eine Zeitmaschine. Denn nur so wird klar, an welchem Punkt wir heute in der Politik stehen. Und dass wir dringend die Demokratie schützen müssen.
KAISERZEIT
In der Kaiserzeit war das Elend der Industriellen Revolution nicht nur in Deutschland unbeschreiblich.
Das führte 1891 zu einer päpstlichen Enzyklika durch Papst Leo XIII., dem „Arbeiterpapst“ (einer von drei Landpfarrern, der Papst wurde). In „Rerum novarum“ formulierte er die Grundsätze der katholischen Soziallehre. Nach dieser Enzyklika kam es zu explosionsartiger Entwicklung der Arbeiterbewegung. Wer diese Enzyklika heute liest, weiß, dass sie auch heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat.
Genau in dieser Zeit nahm Stegerwald, der Schreinergeselle aus Greueßenheim bei Würzburg, in München an Fortbildungen und Informationsabenden des katholischen Arbeitervereins teil und ließ sich dort in Recht und Agitation schulen. Zugleich besuchte er in seiner Freizeit die Vorlesungen von Prof. Brentano an der Uni München um sich dort in Volkswirtschaft und Staatslehre auszubilden. Brentano war bekannt für seine fortschrittlichen Einstellungen zur gerechten Teilhabe am Wirtschaftsleben.
Durch diese Bildung und durch die regelmäßigen Treffen mit anderen Handwerksgesellen in München wurde er ermutigt, die Organisation der Holzarbeiter zu übernehmen.
Zu Pfingsten 1899 einigten sich die ersten Arbeitervertreter in Mainz, ihre an elf Stellen im ganzen Reich entstandenen Vereinigungen mit 1.000 Mitgliedern in den Christlichen Holzarbeiterverband einzubringen. Sie standen 62.000 Holzarbeitern in den freien Verbänden gegenüber!
Diese Aufgabe war ganz nach dem Geschmack des 25-jährigen! Er war so davon überzeugt, dass er und seine Freunde auf dem richtigen Weg waren, dass er schon im Frühjahr 1899 seine kompletten Ersparnisse in die Kasse des Gewerkschaftsbundes einlegte, um den ersten Streik mitzufinanzieren. Deshalb musste er seine Hochzeit mit der fünf Jahre jüngeren Crescentia Humpl um ein Jahr verschieben.
Zu allem Überfluss kündigte ihm sein Dienstherr im Jahr 1900 nach drei Jahren Arbeit die Stelle. Seine nebenberuflichen Tätigkeiten waren dann auch der Grund, weshalb er im ersten Halbjahr 1900 keinen neuen Arbeitgeber finden konnte, der ihn einstellte. So war er ohne Ersparnisse, ohne Arbeit und ohne Ehefrau!
Aber sein Wille, die Zustände zu ändern, war ungebrochen. Er festigte noch in diesem 1. Halbjahr 1900 den Verband so, dass er – mit Unterstützung des „Volksvereins für das katholische Deutschland“ – beginnen konnte, sich hauptamtlich der Sache zu widmen.
Der 1899 von ihm gegründete Christliche Gewerkschaftsbund verstand sich interkonfessionell, also für Katholiken und evangelische Arbeiter gleichermaßen offen.
Es kam deshalb sehr schnell zu einer lang andauernden Auseinandersetzung innerhalb des Katholizismus und der Partei, dem Zentrum. Im Kern drehte sich der Gewerkschaftsstreit darum, ob sich die katholischen Arbeiter zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen mit ihren protestantischen Kollegen zusammenschließen durften. Es ging um den Einfluss der Kirche auf weltliche Belange. Und es ging um das Gewinnen von Arbeitern als Wähler.
Die freien Gewerkschaften machten ganz unverblümt Werbung für die SPD. Die streng katholischen Arbeiter wollten aber das Zentrum wählen, die katholische Partei in Deutschland!
Es kam zur Zersplitterung durch katholische Hardliner, die eigene katholische „Fachabteilungen“ gründeten. Dies hatte zur Folge, dass sich viele evangelische Arbeiter lieber an die freien Gewerkschaften wandten.
Die deutschen Bischöfe wandten sich an Papst Pius X. Dieser veröffentlichte 1912 die Enzyklika „Singularum Quadam“, mit der er die vollkommene Unterwerfung der Gewerkschaften unter den Führungsanspruch der katholischen Kirche verlangte, aber trotz Machtanspruch Interpretationsspielraum einbaute. Die deutschen Bischöfe wussten den Interpretationsspielraum zu nutzen. Teils duldeten sie die Aktivitäten der Christlichen Gewerkschaften, teils bekämpften sie diese.
Warum wurde dieser Streit zwischen den katholischen und evangelischen Machthabern so scharf ausgetragen?
Dies ist zurückzuführen auf das sogenannte „Kölner Ereignis“ von 1837. Dabei ging es um Größe und Macht, um politische Macht und Mischehen.
Nachdem das Rheinland 1815 zu Preußen gekommen, trafen fesche preußische Soldaten auf hübsche „rheinische Mädchen“, was zu Mischehen führte.
Nach dem damaligen preußischen Grundsatz mussten die Kinder aus Mischehen die Religion des Vaters annehmen. Nach den rheinischen resp. Kölner Grundsätzen sollten die Mädchen aus diesen Mischehen katholisch und die Buben – wie der Vater – evangelisch werden.
Gegen den Anspruch der Preußen, alle Kinder müssten evangelisch werden, kämpfte der Kölner Erzbischof. Es kam zu massivem Streit. Erzbischof Droste zu Vischering wurde schließlich inhaftiert. Friedrich Wilhelm gab nach, verbat sich jedoch die erneute Einsetzung von Droste zu Vischering ins bischöfliche Amt.
Dies führte zu einem langjährigen Gewerkschaftsstreit mit den entsprechenden politischen Folgen.
Trotz dieses 12-jährigen Gewerkschaftsstreites (dessen Aufarbeitung sich wie ein Krimi liest!) standen die Arbeiter zu ihren Christlichen Gewerkschaften und zur Interkonfessionalität. Die gängige Redewendung damals hieß:
„Trotz ‚Singularum quadam‘ – wir stehen fest und treu zu Adam“.
Zum Ende des Gewerkschaftsstreits kam es erst 1914 durch den Tod des Fürstbischofs von Breslau, Kardinal von Kopp, der Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz und ein vehementer Bekämpfer der Interkonfessionalität war.
Der Christliche Gewerkschaftsbund hatte damals zwei Millionen Mitglieder – während die katholischen Arbeitervereine kaum hunderttausend Mitglieder hatten.
Der damals 38-jährige Adam Stegerwald wusste genau, dass dieses unsägliche Manöver der zwei beharrenden katholischen Bischöfe von Breslau (von Kopp) und Trier (Korum) zur Spaltung der christlichen Arbeiterschaft einen gravierenden Rückschritt in der Entwicklung des Landes bedeutet hätte. Dies hätte zum damaligen Zeitpunkt zu einer unglaublichen Stärkung des linken Lagers geführt und die Mitte der Gesellschaft zerstört. Die Geschichte Deutschlands wäre anders verlaufen (Stichwort: Räterepublik).
Dass es nicht soweit gekommen ist, haben wir Adam Stegerwald zu verdanken, vor allem, dass er, um keinen Schaden an Staat und Gesellschaft anzurichten, sein aufbrausendes Temperament zügelte und im außerordentlichen Gewerkschaftskongress zwar klar und zornig agierte, aber nicht wie erwartet gegen zum Sturm die katholische Kirche aufrief. Er agierte also staatsmännisch.
Die Zentrumspartei beharrte jedoch weiterhin darauf, „rein katholisch“ zu bleiben. Damit wurden die Arbeiter aus der Zentrumspartei gedrängt.
Es kam wie es kommen musste:
Die Mitgliederzahl der Christlichen Gewerkschaften fiel um mehr als 120.000. Ebenso die Mitgliederzahl des Zentrums!
Zudem wurden in den schweren Zeiten des Ersten Weltkrieges die innenpolitischen Unruhen angeheizt.
Die Beharrung auf zweifelhaften Positionen ist heute genauso schädlich wie vor 100 Jahren!
Im ersten Weltkrieg war Stegerwald kaisertreu, antisozialistisch und unterstützte die deutsche Kolonialpolitik sowie den Kriegskurs der Regierung. Von 1916 bis 1919 war er Vorstand des Kriegsernährungsamts und gehörte ab 1917 bis zur Auflösung 1918 dem Preußischen Herrenhaus an.
REVOLUTION
Die Revolution 1918/1919 mit der Abdankung des Kaisers und der Ausrufung der Deutschen Republik durch Philipp Scheidemann ist zwar aus unserem Blickfeld verschwunden. Und doch ist diese Zeit bis heute prägend.
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es zu viele Tote und zu viel Verwundete, keine Kartoffeln, keine Sicherheit, keine Zukunft. Es gab nur radikale Forderungen – von allen Beteiligten.
Von herausragender Bedeutung für die Abwehr radikaler Strömungen in der organisierten Arbeiterschaft war das enge Zusammengehen in der Zentralarbeitsgemeinschaft der zuvor zersplitterten Gewerkschaften mit den Industriellen- und Arbeitgeberorganisationen. In dieser Umbruchphase wurden die Tarifparteien zu dem wohl stärksten realen Machtfaktor. Auf einmal wurden Kernforderungen der Gewerkschaften verwirklicht, um die zum Teil während des gesamten Kaiserreichs vergeblich gerungen wurde.
Die Not des Krieges und die Erfahrung der Stärke durch Zusammenhalt führten im November 1918 zur Gründung des Deutschen Demokratischen Gewerkschaftsbundes und der Zentralarbeitsgemeinschaft von Arbeitgebern und Gewerkschaftern.
Stegerwald beriet in dieser Zeit als Gewerkschaftsführer die Deutsche Waffenstillstandskommission in Wirtschafts- und Sozialfragen. Er wusste: Der Umgang mit Unverständnis und Enttäuschung der Bevölkerung darf nicht den radikalen Gruppen von rechts und links überlassen bleiben!
Im Januar 1919 wurde er in die Weimarer Nationalversammlung gewählt und wenige Tage später in die verfassungsgebende Preußische Landesversammlung. (Er wohnte in Köln und damit im Land Preußen.)
Im Februar 1919 wurde er Mitglied im erweiterten Vorstand der Zentrumsfraktion der Nationalversammlung. Dort sprach sich Stegerwald gegen ein planwirtschaftliches und gegen ein rein marktliberales Wirtschaftssystem aus. Er beschrieb einen Dritten Weg, ohne dieses System damals schon als soziale Marktwirtschaft zu bezeichnen.
Im März 1919 wurde er zum preußischen Volkswohlfahrtsminister im Kabinett Hirsch aus SPD, Zentrum und DDP. Im Dezember 1919 erließ er die „Preußische Höchstmietenversordnung“.
Am 13. Januar 1920 demonstrierten, durch die linken Parteien USPD und KPD mobilisiert, 100.000 Menschen vor dem Reichstagsgebäude gegen die Verabschiedung des Betriebsrätegesetzes. Die Preußische Polizei schoss in die Menschenmenge und tötet 42 Menschen, 105 wurden verletzt.
Am 19. Januar 1920, nur sechs Tage später, wurde Stegerwald in einer aufgeheizten Zeit zum stellvertretenden Parteivorsitzenden der Zentrumspartei gewählt.
Im März 1920 kam es zum Kapp-Putsch. General Kapp putschte gegen die Regierung, weil große Teile der Armee aufgelöst werden sollten. Der Putsch ist nach wenigen Tagen zu Ende. Die Regierung trat zurück; Stegerwald blieb Volkswohlfahrtsminister im neuen Kabinett.
Im April 1920 wurde er zum Vorsitzenden des Gesamtverbandes der Christlichen Gewerkschaften und des DGB gewählt. Sein Nachfolger als Generalsekretär wird Heinrich Brüning, seines Zeichens CVer.
Im Juni 1920 wurde er in den Deutschen Reichstag gewählt und zieht nach Berlin um.
In den Wirrnissen der frühen 1920er Jahre wurde von bayerischen Zentrumspolitikern die Bayerische Volkspartei gegründet, von oberschlesischen Zentrumspolitikern die Katholische Volkspartei.
Der katholische Zentrumspolitiker Adam Stegerwald als preußischer Volkswohlfahrtsminister und Gründer des Deutschen Gewerkschaftsbundes hielt am 20. November 1920 im städtischen Saalbau zu Essen seine berühmte Essener Rede unter dem Titel „Deutsche Lebensfragen“.
Dort forderte Stegerwald eine gemeinsame neue „Mittelpartei“ für ganz Deutschland.
Diese politische Partei der Mitte solle keine christlich-soziale Arbeiterpartei sein, sondern eine Volkspartei, „eine möglichst geschlossene politische Einheitsfront, umfassend die um den Gewerkschaftsbund gruppierten Kreise und die allerbreitesten Volksschichten in Stadt und Land. Umfassend die gesamte schaffende Arbeit, umfassend alle Schichten, die sich auf den Boden der alten deutschen christlichen Kultur stellen. Die Volkspartei muss stark und positiv genug sein, um die Dinge bergauf zu treiben und sozial und volkstümlich genug, um Eroberungen bei den breiten Massen machen zu können“.
Die Sprache hat sich geändert, der Inhalt aber hat seit 100 Jahren Gültigkeit!
Die Gründung der Mittelpartei für ganz Deutschland nach den Vorstellungen Stegerwalds blieb leider zum damaligen Zeitpunkt ein Traum.
Wäre damals die Verbissenheit der vielfältigen Interessensparteien der Weimarer Republik zur Durchsetzung ihrer Partikularinteressen nicht so stark gewesen, sondern wäre man einem gemeinsamen Ziel, der demokratischen errungenen politischen Sacharbeit, nachgegangen, dann hätte eine Mittelpartei die Interessen im Weimarer Parlament bündeln können, es wäre Deutschland manches erspart geblieben.
So aber wurde die Stärke der rechts- und links-extremistischen Parteien zum eigentlichen Problem!
WEIMARER REPUBLIK
Die entscheidenden Jahre in der Geschichte Deutschlands und im Leben Stegerwalds waren während der Weimarer Republik.
Im Januar 1929 wurde Stegerwald zum Fraktionsvorsitzenden der Reichstagsfraktion des Zentrums gewählt. Drei Monate später, im April 1929, wurde er Verkehrsminister im Kabinett der Großen Koalition unter Hermann Müller (SPD).
Ein halbes Jahr später, am 25. Oktober 1929, war der „Schwarze Freitag“ an der New Yorker Wall Street, der eine Weltwirtschaftskrise und wahnsinnige Arbeitslosigkeit nach sich zog.
Sofort wollte Stegerwald die Sanierung der Arbeitslosenversicherung durchziehen. Aber die SPD und die an der Regierung beteiligten DVP, also die beiden – links- und rechts – Flügelparteien, konnten sich nicht einigen. Die Regierung war am Ende.
Im März 1930 wurde Brüning, der langjährige Mitarbeiter von Adam Stegerwald, Reichskanzler. Stegerwald wurde Arbeitsminister.
Schon im Juli 1930 lehnte der zersplitterte Reichstag das Regierungsprogramm Brünings ab, das Vorläuferprogramme der sozialen Marktwirtschaft genauso beinhaltete wie Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Der Reichstag wurde durch Reichspräsident Paul von Hindenburg aufgelöst. Noch im Juli 1930 wurde per Notverordnung regiert.
Am 14. September 1930 kommt es dann zur „Katastrophenwahl“, wie es Stegerwald genannt hat. NSDAP und KPD errangen 1/3 der Mandate. Der Wahlkampf war geprägt durch Verneinungen und Gegnerschaft.
Die radikalen Parteien waren
– gegen die Demokratie! Das Parlament wurde verächtlich gemacht. Die Tiraden von der „Quatschbude“ verfingen beim Wähler;
– gegen den Versailler Vertrag und ohne Aussage darüber, wie die Folgen des Versailler Vertrages für das Volk gemildert werden könnten;
– gegen eine kapitalistische Wirtschaft, obwohl die Nazis ganz gezielt ihren Parteien- und Staatskapitalismus betrieben;
– gegen andere „Rassen“ (Sinti, Roma, siehe Buchenwald )
– gegen andere Religionen insbesondere gegen Juden
Eine parlamentarische Mehrheit war nach dem Wahlergebnis ausgeschlossen.
So regierte Brüning per Notverordnung des Reichspräsidenten weiter.
Der Streit über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die Siedlungsverordnung (Verteilung von überschuldetem Land im Osten) und Intrigen gegen Stegerwald durch Großagrarier (Bodenbolschewismus – anschließend an das „Tausendjährige Reich“ kamen die Russen, die wirklich Bodenbolschewismus brachten) und Industrielle brachten das Kabinett Brüning in Misskredit.
Nach knapp 2 Jahren, am 30. Mai 1932, trat das Kabinett zurück. Von Papen übernahm und Stegerwald warnte in Essen vor einer Übernahme der Macht durch Hitler. Die NSDAP hetzte gegen Stegerwald.
Noch am 19. September 1932 forderte Stegerwald auf dem letzten Kongress der Christlichen Gewerkschaften eine Wiederbelebung des Essener Programms. Vergeblich!
Schon vier Monate später, am 30. Januar 1933, kam es zur „Machtergreifung“ Hitlers. Ein Tag später, am 1. Februar 1933, wurde der Reichstag aufgelöst.
Sofort began Stegerwald einen Anti-Hitler-Wahlkampf, in dessen Verlauf er im Februar 1933 von SA-Leuten niedergeschlagen wurde. Am 5. März 1933 verfehlte die NSDAP knapp die absolute Mehrheit.
Noch im März 1933 verhandelte Stegerwald als Mitglied eines Dreier-Kollegiums seiner Fraktion mit Hitler über die Zustimmung des Zentrums zum „Ermächtigungsgesetz“.
Im Juli 1933 wurden die Gewerkschaften zerschlagen, die christlichen Gewerkschaften lösten sich auf. Die Deutsche Zentrumspartei löste sich selbst auf. Stegerwald legte sein Reichstagsmandat nieder.
Sein politisches Lebenswerk war zerschlagen! Er selbst wurde von den Nazis im sogenannten „Großen Volksvereinsprozess“ angeklagt.
In der Zeit 1933 bis 1943 war Stegerwald politisch isoliert. Im Juni 1933 wurden ihm seine Ministerpensionen aberkannt. 1934 entkam er seiner wahrscheinlichen Ermordung während des „Röhm-Putsches“ vom 30.6.1934 (heute auf den Tag genau vor 84 Jahren!) nur, weil er rechtzeitig gewarnt worden war. Sein Sohn Franz brachte ihn mit dem Motorrad unerkannt ins Benediktinerinnenkloster Alexanderdorf bei Berlin.
Während seiner politischen Isolation im Zweiten Weltkrieg war er zur Untätigkeit verdammt, was ihn sehr schmerzte.
– Er selbst war 1943 mehrere Monate im Krankenhaus und gesundheitlich angeschlagen.
– Sein Sohn Heinrich, ein 38-jähriger Dipl.-Kaufmann, wurde 1943 an der Ostfront schwerverwundet worden und starb. Der Brief mit der Bitte um Hilfe, den Heinrich an seinen nur 70km entfernt lebenden Vater nach Berlin geschrieben hatte, kam erst nach dem Tod Heinrichs beim Vater in Berlin an.
– Sein Sohn Paul wurde 33-jährig in Prag schwer verwundet. Er starb mit nur 55 Jahren und ist im Familiengrab in Würzburg beigesetzt.
– Seine beiden Häuser in Berlin wurden 1944 zerbombt und sein persönliches Archiv ist zum großen Teil verbrannt.
– Sein jüngster Sohn Wilhelm verlor 28-jährig im Krieg ein Auge und beide Hände. Stegerwald und seine Frau besuchten noch im April 1944 ihren Sohn in Radom in Polen. Alleine auf dieser Reise über Würzburg, Hof, Dresden, Breslau und Krakau erlebten sie, wie so viele, die unterwegs waren, ein Martyrium (wie Stegerwald selbst beschrieb). Er wurde ganz unmittelbar mit den Folgen der völkischen Politik Hitlers konfrontiert durch die vielen Schwerverwundeten, die Toten und Flüchtenden. Wilhelm starb 66-jährig als Generalkonsul a.D. und ist ebenfalls im Familiengrab beigesetzt.
– Sein Bruder kam 1944 bei Kriegshandlungen in Frankfurt zu Tode.
– Seine Frau und seine Tochter waren beide erkrankt.
NACHKRIEGSZEIT
Mit diesen traumatischen Ereignissen veränderte sich die Einstellung Stegerwalds zu den Nazis endgültig und grundlegend.
Im März 1944 kam Stegerwald mit seiner Frau – nach 50 Jahren – zurück nach Greußenheim. Er ist als gebrochener alter Mann beschrieben worden.
Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 wurde er im Rahmen der Aktion Gewitter verhaftet und in Würzburg, zunächst im Gestapogefängnis und dann in der Ottostraße, bis zum 19. Oktober 1944 in Haft gehalten.
Die amerikanische Militärregierung wurde durch den in den USA weilenden Brüning auf Stegerwald aufmerksam gemacht. Sie nahm bereits im April 1945 Kontakt zu ihm auf, was ihm enorm Auftrieb gab, sodass er das zwischenzeitlich wieder betriebene Schreinern in Greußenheim gerne aufgab.
Fünf Monate nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis, am 11. Mai 1945 (drei Tage nach der Kapitulation), wurde er 71-jährig von den Amerikanern zum 1. Regierungspräsidenten von Unterfranken im Nachkriegsbayern berufen.
Damit begann für Stegerwald ein letzter und entscheidender Abschnitt in seinem Leben: Im August 1945 gründete er die Lehrerbildungsanstalt in Würzburg. Er führte Besprechungen mit der Militärregierung in Frankfurt und München. Gleichzeitig setzte er sich erfolgreich gegen die Verlegung der Universität von Würzburg nach Bamberg ein. Zudem musste er die Versorgung der Bevölkerung, insbesondere im zerbombten Würzburg, sichern und – unter Berücksichtigung der Entnazifizierungsverfahren und des Einspruchsrechts der Amerikaner – die Verwaltung nach dem Krieg wieder aufbauen.
Stegerwald machte nicht lang Federlesens und schaute sich in dem Bereich um, der ihm vertraut war – im Bereich der Christlichen Gewerkschaften. So traf er über die Kolpingfamilie Aschaffenburg auch auf Hanns Seidel, einen Kriegsheimkehrer und Juristen, den er zum Landrat von Aschaffenburg machte.
Alle Aufgaben ging er als 71-Jähriger sehr energisch an. Er machte von seinem Direktionsrecht Gebrauch und handelte schon mal ohne Genehmigung der Amerikaner – nur, dass was weiter ging! So ließ er Beamte zuhause arbeiten und organisierte einen Aktentransportdienst.
Seine Tatkraft brachte ihm den Vorwurf der „Preußen- und Sozialistenfreundlichkeit“ ein (Ministerpräsident Schäffer, BVP) und er forciere so die „Überfremdung“ der Verwaltung (Wilhelm Hoegner).
Stegerwald war viele Wochen im Gespräch als Nachfolger von Ministerpräsident Schäffer, weil das Verhältnis von Schäffer zur Militärregierung äußerst erschüttert war. Er reiste bereits rum und stellte sein Kabinett zusammen. Allerdings musste er schwer erschüttert feststellen, dass genau diese Militärregierung nun Wilhelm Hoegner (SPD) den Vorzug gab. Dass er nicht Ministerpräsident wurde, erschütterte ihn schwer.
PARTEIGRÜNDER
Im Juli 1945 begegnete er zufällig dem Ochsensepp Dr. Josef Müller in Rothenburg o. d. Tauber. Sie waren sich über die Gründung der Mittelpartei CSU einig. Sie waren sich einig, „dass es nicht genüge Katholisches und Evangelisches zu addieren, um Mehrheiten zu schaffen“. Als vordringlich erkannten sie vielmehr „eine wirkliche geistige Erneuerung unseres Volkes“ auf der Grundlage des Dekalogs und der Nächstenliebe und im festen organischen Rahmen einer „Dynamischen Gruppierung“.
Einigkeit bestand in Rothenburg zwischen Stegerwald und Müller auch darüber, dass die neu zu gründende Partei nicht auf Bayern beschränkt bleiben dürfe. Stegerwald vermittelte Müller daher schon am 9. Juli erstmals Kontakte nach Berlin und Frankfurt an der Oder.
Die Militärregierung erlaubte aber nur die Parteiengründungen auf Kreisebene, um die Sache besser im Blick zu haben und neue Naziverbände zu verhindern.
Am 13. Oktober 1945 erfolgte deshalb die Gründung der CSU als Kreisverband Würzburg Stadt und Land im Elisabethenheim in Würzburg. Stegerwald hielt das Hauptreferat „Wohin gehen wir?“, übernahm aber nicht den Vorsitz mit der Begründung, da er zu alt dafür sei und als Regierungspräsident dies auch nicht tun dürfe. Außerdem wollte er außerhalb Bayerns für die Gründung dieser neuen Mittelpartei werben.
In seiner Grundsatzrede zur Gründung und in seinem letzten großen Interview mit dem damaligen 1. Vorsitzenden der CSU, Dr. Dürr, sprach Stegerwald es explizit aus.
Er wollte nicht, dass die CSU eine Neuauflage des Zentrums oder der Bayerischen Volkspartei würde. Es irrte also Franz Josef Strauß, wenn er in seinen Reden davon sprach, dass Stegerwald eine Bayerische Partei gründen wollte.
Stegerwald wollte offenbar die Einheit der Union im gesamten Nachkriegsdeutschland!
Im Oktober 1945 besuchte er den Gründerkreis der Christlich Demokratischen Partei in Köln. Er organisierte ein erstes überzonales Treffen verschiedener Gründerzirkel der Union bei Heidelberg. Ende November 1945 gab es ein neuerliches Treffen von Unionsgründern aus ganz Deutschland bei Stegerwald in Würzburg.
Kurz darauf erkrankt er sehr schwer. Am 3. Dezember 1945 stirbt Adam Stegerwald an einer Grippe mit Lungenentzündung.
Im Nachruf der Würzburg Main-Post auf Stegerwald vom 5.12.1945 hieß es wohl zu Recht, Mainfranken sei durch die Arbeit des Regierungspräsidenten innerhalb weniger Monate zu einem Musterbezirk geworden.
Noch im Dezember wurde in Köln die CDU gegründet.
Der Adam-Stegerwald-Kreis e.V. wird im Jahr 2019 im Vorfeld der 100-Jahr-Feier dieses Ereignisses eine größere Informationsveranstaltung organisieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
sollten sie bei diesem Ritt durch die Geschichte an die gegenwärtige politische Situaion der beiden Mittelparteien gedacht haben, dann ist das sicher nicht abwegig.
Die Geschichte zeigt, wie schnell sich Veränderungen zum Schlechten wenden können, wenn demokratische Parteien ihre Kompromissfähigkeit verlieren. Und sie zeigt, dass demokratische Experimente in der Sehnsucht nach einem, „der mal auf den Tisch haut“, mit Vorsicht zu genießen sind.
Besser ist allemal, denen die auf dem berühmten Holzweg sind, mündlich, schriftlich und in Versammlungen und ohne die Burka der Anonymität im Netz, sondern von Mann zu Mann und Frau zu Frau offen die Meinung zu sagen.
Mitglieder von Studentenverbindungen sind die Führung offener Worte gewohnt. Wenn wir diese ehrliche Offenheit wieder in die Gesellschaft bringen, dann ist es um die Demokratie gut bestellt.
Der Gothia ein vielfaches Vivat Crescat Floreat!
[T1]Die Relevanz des Abschnitts wird nicht klar, die Einbindung in die Passagen vor- und nachher auch nicht.
[T2]Welches?
[T3]Löschen? Hat keinen Bezug.
[T4]Von Oktober bis Mai sind es sieben Monate…