Josef Gass, Domkapitular in Straßburg und Offizier der Ehrenlegion

In Frankreich ehren gleich zwei elsässer Gemeinden, Molsheim und Mutzig, Bundesbruder Josef Gass (1867-1951), einen unserer Mitgründer von 1895, mit Straßen- und Ortsnamen. In Molsheim, 25 km westlich von Straßburg, findet man die Rue du Chanoine Gass und in Mutzig, Geburtsort von Gass und Nachbargemeinde von Molsheim, die Place Chanoine Gass. Kurz vor dem 125jährigen Stiftungsfest ist ein kurzer Blick auf die Biographie eines unserer Stifter auch gleichzeitig ein Rückblick auf die turbulente Gründerzeit und das Wagnis einen neuen Bund zu gründen, der sich bis heute behaupten konnte. Wenig Biographisches ist allerdings über viele unsere Gründer bekannt geblieben oder überliefert worden.

Josef Gass wurde in Mutzig 1867 geboren, legte 1887 am Petit Séminaire in Zillisheim bei Mülhausen das Abitur ab und erhielt am Priesterseminar (Grand Séminaire) in Straßburg bis 1892 seine theologische Ausbildung. Dort empfing er auch am 10. August 1892 die Priesterweihe. Auf Empfehlung von Bischof Fritzen ging er anschließend zum weiteren Theologiestudium nach München und kam von 1893 bis 1896 nach Würzburg zu Prof. Herrmann Schell. Im Deutschen Reich gab es damals nur sieben kath.-theologische Fakultäten, darunter zwei in Bayern (München, Würzburg). Diejenige von Straßburg wurde erst 1903 eröffnet. Nach seiner theologischen Promotion wurde Gass schon bald darauf 1896 zum Professor der Kirchengeschichte am Grand Séminaire in Straßburg berufen und später Leiter der dortigen Bibliothek und Ökonom. Dort blieb er auch bis zu seiner Emeritierung. Die Ernennung zum Domkapitular in Straßburg erfolgte 1928, diejenige zum Ritter der Ehrenlegion 1933 und die zum Offizier 1950.1 Neben den Straßenbenennungen zeugen diese Ehrungen von der hohen Wertschätzung, die ihm öffentlich zuteilwurde.

Gass war nicht nur ein intimer Kenner der elsässischen Kirchengeschichte, sondern auch Experte für die Landes- und Ortsgeschichte seiner Heimat. Er engagierte sich intensiv publizistisch und war in verschiedenen Fachgesellschaften aktiv.2-4 Neben vielen anderen Aufgaben war er langjähriger Herausgeber des Straßburger Diözesanblattes und der Revue Catholique d’Alsace (ab 1928), Präsident des Straßburger Münstervereins (1929-1933), wiederholt Präsident des elsässischen Geschichts- und Denkmalvereins, der Société pour la Conservation des Monuments Historiques d’Alsace SCMHA (1932-1940 und 1945-1947) sowie auch Mitgründer des Elsässer Exilantenvereins (1918). Wissenschaftlich beschäftigte er sich in zahlreichen Aufsätzen und Büchern mit der theologischen Aufklärung sowie der Revolutions-, Kirchen- und Kunstgeschichte im Elsass. Von ihm erschienen Monographien über das Straßburger Priesterseminar während der Revolutionszeit (1914), die elsässischen Jesuiten (1918) und zur Geschichte der Orgeln im Straßburger Münster (1935). Heimatgeschichtlich lagen ihm Mutzig und Molsheim sehr am Herzen, für die er Bildbände in den Jahren 1910 und 1911 herausgab. Er publizierte ab etwa 1907 zudem den Straßburger Münsterführer, der bis 1954 mehrsprachig und in mehr als 20 Auflagen erschien. Weit über 100 Publikationen lassen sich nachweisen.

Eine enge Freundschaft verband ihn mit dem drei Jahre jüngeren Elsässer Franz-Xaver Haegy, ebenfalls Bundesbruder und Mitgründer Gothiae, mit dem er schon das Gymnasium in Zillisheim teilte und später nach München und Würzburg kam. Wahrscheinlich war Gass auch Unitarier wie Haegy, bevor es zur gemeinsamen Gründung der Gothia kam. Anzumerken ist, dass sich die bei der Unitas Ausgetretenen oder Verwiesenen nicht einfach in alle Richtungen zerstreuten, sondern zusammenblieben, um mit hohem Risiko einen neuen Verein zu gründen: So klar waren das Bedürfnis und der Wille, die eingegangene Verbindung untereinander und mit Würzburg auch in Zukunft, lebenslang, zu erhalten. Denn andere katholische Studentenvereine und -verbindungen gab es in Würzburg mehrere und den Rückhalt eines Verbandes hatten die Gründer nicht. Mit entsprechender Freude liest man daher noch nach über 100 Jahren das Vorstandsprotokoll des elsässischen Geschichts- und Denkmalvereins SCMHA vom 23. Juni 1909, als in Anwesenheit von Schriftführer Gass der Neueintritt des Colmarer Bezirkstagsmitgliedes Haegy, seines Freundes und Bundesbruders, verkündet wurde.5 Gass blieb auch einer der wenigen persönlichen Vertrauten Haegys, als dieser journalistisch für den Fortbestand der kulturellen Autonomie und die Selbstbestimmungsrechte seiner Heimat kämpfte. So erscheint noch heute ihre diesbezügliche Korrespondenz von 1931, die Ch. Baechler kürzlich publizierte, unter dem Blickwinkel einander schreibender Bundesbrüder berührend und mit einer besonderen persönlichen Note versehen.6

Josef Gass weilte während des 1. Weltkriegs von 1914-18 wieder in Würzburg und kümmerte sich in dieser Zeit um die aus politischen Gründen hierher exilierten Elsässer.4 Dabei mag der Kontakt zu Bbr. Johannes Hehn, ebenfalls Mitgründer Gothiae und seit 1907 Professor für alttestamentliche Exegese in Würzburg, eine Rolle gespielt haben. Genaueres muss noch nachgeforscht werden. So wird Bbr. Gass die Aktivitas der jungen Verbindung zu dieser Zeit vermutlich noch persönlich gekannt und unterstützt haben, darunter auch Bbr. Anton Betz, der 1917 dazustieß. In Straßburg war Gass Kollege von Prof. Eugène Muller, ebenfalls ehemaliger Würzburger Theologiestudent und Unitarier, und des späteren Münchner Kardinals Faulhaber, der 1895 in Würzburg promoviert hatte, als auch Gass hier studierte, bevor er dann 1903 Professor für alttestamentliche Exegese in Straßburg wurde.7,8 Der Zufall will es zudem, dass Molsheim eine Städtepartnerschaft mit Gerbrunn unterhält.

Als Josef Gass 1951 im Alter von 84 Jahren nach langer Krankheit in Straßburg starb, hatte er seinen Freund und Bbr. Haegy um fast 20 weitere Jahre überlebt. Sein Grab ist in Mutzig erhalten und die Gemeinde führt ihn auf ihrer Webseite unter ihren Berühmtheiten auf. Wenn Bundesbrüder touristisch im Elsaß in der Nähe von Straßburg weilen, sind sie aufgerufen sich seiner zu erinnern und Molsheim und Mutzig zu besuchen.

Literatur / Quellen:
1 Internetportal der Gemeinde Mutzig i. Elsass; https://www.villedemutzig.fr/noms-celebres.htm. 345678
2 Schnitzler B. 1855: Société pour la conservation des monuments historiques d’Alsace. Revue d’Alsace 135:32-35;2009.
3 Lingelser JP, „1902 : Les Amis de la Cathédrale de Strasbourg“, Revue d’Alsace 135:68-73;2009.
4 Sawicki G. Proscrits, internés et exilés : le cas des alsaciens-lorrains prisonniers politiques dans l’Empire Allemand (1914-1918). Guerres Mond Conflits Contemp 1:7-20;2017.
5 Vorstandsprotokoll v. 23.06.1909. Bulletin Soc Conserv Mon Hist Alsace, 2. Serie, 23:71; 1909-1911.
6 Haegy schreibt an Gass: „La voie de lutte, de sacrifice et de persécution qui est la mienne, que je n’ai pas choisie…, mais que Dieu m’a assignée est la voie de la défense des institutions et des traditions religieuses de l’Alsace… L’avenir est incertain, Dieu seul le connait. Nous faisons notre devoir l’angoisse dans l’âme, mais comptons sur Dieu.“ Baechler C. Clergé catholique et politique en Alsace 1871-1940. Presses Universitaires de Strasbourg, Straßburg 2013, S. 203.
7 Internetportal Wikipedia (Einträge u.a. Eugène Muller, Johannes Hehn, Michael Faulhaber, Adolf Fritzen, Bibliothèque du Grand Séminaire de Strasbourg). https://de.wikipedia.org.
8 Baumann R. Gothia sei’s Panier. 100 Jahre KDStV Gothia im CV 1895-1995; Würzburg 1995.
Bild: gemeinfrei angenommen.
Internetseiten abgerufen am 05.02.2020.

Autor: Bbr. Jürgen Bohlender

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