ElisabethenHeim-Besuche

Seit nun einigen Jahren ist es ungebrochene Tradition, dass die Aktivitas der Gothia einmal pro Semester das ElisabethenHeim besucht. Dabei werden im Rahmen eines gemeinsamen Kaffeetrinkens mit den Bewohnern des Pflegeheims Lieder gesungen, Gespräche geführt und Gedichte vorgetragen. Die Konstanz dieser allsemestrigen Veranstaltung bietet Anlass zur Reflexion über den Stellenwert und über die Frage nach der Rolle des ElisabethenHeim-Besuches sowohl für die Verbindung selbst als auch ihre Mitglieder.

Spätestens wenn die altbekannten Klassiker des Advents- und Weihnachtsliedgutes bei einem Besuch angestimmt werden, ist vielen der Bewohner die Rührung deutlich anzusehen. Selbst diejenigen, die sich aufgrund der Schwere ihrer Krankheit an den Gesprächen nicht haben beteiligen können, stimmen nicht selten in den Gesang mit ein oder lassen jedenfalls erkennen, dass sie das Geschehen aufmerksam verfolgen. Allein das zeigt, dass der Besuch insofern seine Berechtigung hat, als er dem Mitmenschen Zuwendung und Achtung entgegenbringt und ihnen einen kurzen Ausbruch aus ihrem zumeist doch eintönigen und oft leidgeplagten Alltag ermöglicht. Besonders eine katholische Verbindung, die sich in einer gesellschaftlichen und christlichen Verantwortung sieht, sollte auch der Sorge um das Wohl derjenigen Menschen, die keine Mitglieder der Verbindung sind – und ganz besonders den Schwächsten der Gesellschaft – Bedeutung zumessen. Deutlich wird das durch die Definition des Religio-Prinzips unseres Cartellverbandes: „Die Mitglieder des CV und der CV selbst widmen sich […] der aktiven Gestaltung des eigenen Lebens aus dem katholischen Glauben in Verantwortung vor Gott, den Menschen und der Schöpfung.“ Ein Besuch im Pflegeheim kann eine Möglichkeit sein, ebendiese Verantwortung vor Gott und den Menschen zu leben.

Sicher, so dürfte wohl der ein oder andere sagen, kann ein dreistündiger Besuch die Situation der Pflegebedürftigen nicht wesentlich verbessern, aber für den einen oder anderen Bewohner ist der Gothenbesuch ein zentrales Ereignis in den Wochen vor Weihnachten bzw. entsprechend im Sommer und damit auch mehr als ein bloßes Zeichen.

Und dennoch hat der Besuch dort darüber hinaus noch eine Berechtigung auf einer anderen Ebene, kann doch der Austausch mit den meist alten Menschen auch eine Bereicherung für uns als Besuchende sein. Einerseits berichten einige Bewohner gerne und offen über frühere Zeiten und ermöglichen damit einen persönlichen Zugang zu historischen Ereignissen. Beispielsweise schilderte mir eine Frau, wie sie selbst als Jugendliche die Bombenangriffe auf Würzburg im Zweiten Weltkrieg erlebt hatte und erzählte davon, wie sie mit ihrer Familie nach den Zerstörungen auf einem Bauernhof im Umland untergebracht worden war. Andererseits bietet das Gespräch mit einer anderen sozialen Gruppe auch immer die Chance einer Auseinandersetzung mit dem Gegenüber und eines besseren gegenseitigen Verständnisses. Gerade für eine Vereinigung von aktiven Studenten als einer besonders in Bezug auf die Altersstruktur verhältnismäßig homogenen Gruppe kann ein Generationenaustausch eine große Bereicherung darstellen, das Kennenlernen einer anderen Lebenswirklichkeit den eigenen gedanklichen Horizont erweitern.

Insofern kann der Besuch des Elisabethenheims eine bereichernde Erfahrung sowohl für die Besuchten als auch für die Besuchenden sein, wenn er von den Beteiligten aus dieser Perspektive heraus betrachtet und nicht etwa lediglich als traditionsbedingte Pflichtübung angesehen wird. Deshalb ist es lohnenswert, dieser Veranstaltung auch im kommenden sowie in den darauffolgenden Semestern den nötigen Stellenwert einzuräumen.

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